Fasziniert von der Studie «Generation Smartphone», wurde mir schnell bewusst, dass sie den Weg in eine breitere Öffentlichkeit finden sollte. Deshalb beauftragte ich Lilian Suter, Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der ZHAW, eine dreiteilige Artikelserie über die Studie zu verfassen. Lilian Suter wird in den Artikeln das Setting sowie die Resultate der Studie darlegen und aus verschiedenen Standpunkten beleuchten.
Als Leserin und Leser der Artikel haben Sie die Möglichkeit, mittels Kommentare in einen Diskurs zum Thema zu treten. Nutzen Sie diese Gelegenheit, notfalls auch mit einem Smartphone;-)
René Moser
Leiter Fachstelle Bildung und ICT
Einführung
Sie kennen es wahrscheinlich aus dem Schulalltag: Das Smartphone ist für Jugendliche unentbehrlich. Gemäss JAMES-Studie 2018 besitzen 99 % der Schweizer Jugendlichen zwischen 12 und 19 Jahren ein Smartphone. Bereits Kinder im Primarschulalter sind vom Smartphone fasziniert: In der MIKE-Studie 2017 zeigte sich, dass Schweizer Kinder zwischen 6 und 13 Jahren am häufigsten das Handy als ihr Lieblings-Medium nennen. Die Auswirkungen der rasanten und flächendeckenden Verbreitung von Smartphones und deren intensive Nutzung ist bisher aber kaum erforscht. Im öffentlichen Diskurs werden ausserdem vorrangig die Gefahren – beispielsweise Cybermobbing, ungeeignete Inhalte wie Gewalt oder Pornografie oder das Suchtpotential – thematisiert. Doch welche Risiken und insbesondere auch welche Chancen durch das Smartphone nehmen Jugendliche selbst wahr? Welche Rolle und Bedeutung hat das Smartphone für Jugendliche in ihrem Alltag? Diesen Fragen gingen wir im Forschungsprojekt «Generation Smartphone», geleitet von der FHNW und ZHAW, nach. Gefördert wurde das Projekt von der Stiftung Mercator Schweiz.
Aufbau des Forschungsprojekts
Um die oben genannten Fragen zu untersuchen, wurde das Projekt partizipativ gestaltet. Das heisst, Jugendliche wurden aktiv an verschiedenen Stellen im Forschungsprozess eingebunden: es wurde nicht nur über Jugendliche, sondern mit Jugendlichen gemeinsam geforscht.
Dies zeigte sich bereits bei der Idee für das Projekt. Jugendliche diskutierten (unter Leitung der FHNW) über mögliche Themen, bei denen sie gerne mitforschen möchten. Der Themenbereich «Smartphone» wurde dabei genannt. So entstand die Idee für das Projekt «Generation Smartphone».
Das Forschungsprojekt gliederte sich in drei Phasen:
In der ersten Phase, der Datenerhebung, baten wir 30 Jugendliche darum, dass sie einen Monat lang ihre Smartphone-Nutzung dokumentieren, ähnlich wie in einem Tagebuch. Sie orientierten sich dabei an drei Fragen: Was habe ich heute mit dem Smartphone gemacht? Wie ist es mir dabei ergangen? Warum habe ich das gemacht? Die entsprechenden Überlegungen wurden dann üblicherweise am Abend per WhatsApp an uns an die ZHAW bzw. FHNW geschickt. Dies ermöglichte auch das Versenden von Screenshots, Fotos, Videos oder Links. Ausserdem konnten wir im Chat Rückfragen stellen, wenn etwas unklar war oder wir konnten nachhaken, wenn wir mehr zu einem erwähnten Aspekt wissen wollten. Als Abschluss der Datenerhebung führten wir mit allen Jugendlichen ein Interview über ihre Smartphonenutzung durch. Dabei wurde einerseits auf die Berichte aus dem Alltag der Jugendlichen eingegangen und andererseits allgemeinere Fragen zur Smartphonenutzung gestellt. Hierzu gehörte beispielsweise auch das Aufzeichnen eines typischen Tages mit dem Smartphone auf einem Zeitstrahl. In der Phase der Datenerhebung sammelten wir somit vielfältige und detaillierte Informationen über die Smartphonenutzung von 30 Jugendlichen zwischen 12 und 19 Jahren. Die 30 Jugendlichen waren bunt gemischt: es waren unterschiedliche Altersgruppen, Mädchen und Jungen, verschiedene Bildungsniveaus und verschiedene Herkunftsländer vertreten. Die Hälfte der Jugendlichen wohnte im Grossraum Zürich, die andere Hälfte im Grossraum Basel.
Danach folgte die Auswertungsphase. Üblicherweise wird diese von erfahrenen Forscher/innen durchgeführt. Im Projekt «Generation Smartphone» haben wir hier nun aber aktiv Jugendliche einbezogen. Acht Jugendliche, die selbst in der ersten Phase ihre Nutzung dokumentiert hatten, arbeiteten zusätzlich an der Auswertung mit. Die Jugendlichen und wir Forscher/innen der ZHAW und FHNW setzten uns intensiv mit den gesammelten Informationen über die Smartphonenutzung auseinander und so bearbeiteten acht erwachsene und acht jugendliche Forscherinnen und Forscher in gemeinsamen Workshops die Forschungsfragen. Dabei legten wir Wert darauf, dass alle Überlegungen – sei es von erfahrenen Forscher/innen oder von Jugendlichen – ernst genommen wurden und so auf «Augenhöhe» miteinander diskutiert wurde.
Die Erkenntnisse aus den Workshops wurden in der Berichtphase konsolidiert und es entstanden verschiedene Produkte. Einerseits gibt es den offiziellen Forschungsbericht von uns Forscher/innen der FHNW und ZHAW. Andererseits gestalteten die Jugendlichen ein Postkartenset mit Anregungen und Sprüchen – eine Idee, die von den Jugendlichen selbst kam. Zwei Jugendliche waren sogar mit Gastbeiträgen im Magazin «Fritz & Fränzi» vertreten.
Fazit: Smartphone ist Fluch und Segen
Das wichtigste Fazit des Projekts lässt sich als «Fluch und Segen» zusammenfassen: Viele Jugendliche stehen dem Smartphone ambivalent gegenüber. Einerseits ist das Smartphone mit seinen schier unbegrenzten Möglichkeiten im Alltag ein Segen. Andererseits nehmen die Jugendlichen auch Schwierigkeiten und Herausforderungen mit dem Smartphone wahr. Oft gibt es sogar regelrechte Dilemmata und Chancen und Risiken stehen sich diametral gegenüber oder treten sogar gemeinsam auf. Welche Dilemmata wir im Projekt identifiziert haben, lesen Sie in Teil 2 dieser Artikelserie.
Wenn Sie nicht warten möchten: der Ergebnisbericht sowie das Postkartenset sind unter www.generationsmartphone.ch verfügbar.