Hat «Virtual Reality» Potential für die Volksschule?

Virtual Reality (VR) wird in Wikipedia folgendermassen beschrieben: «Als virtuelle Realität, kurz VR, wird die Darstellung und gleichzeitige Wahrnehmung der Wirklichkeit und ihrer physikalischen Eigenschaften in einer in Echtzeit computergenerierten, interaktiven virtuellen Umgebung bezeichnet.»

Mit dieser Thematik – bezogen auf die Volksschule – haben sich die beiden Masterstudenten Philipp Glauser und Andreas Hebeisen im Rahmen ihrer Masterarbeit an der ZHAW bei Prof. Dr. Thomas Keller auseinandergesetzt.

Sie haben in ihrer Arbeit das Potential von VR an der Volksschule untersucht, je eine konkrete Umsetzung programmiert, diese zusammen mit einer Klasse getestet und anschliessend ein Fazit gezogen.

VR im Fachbereich Natur und Technik

Philipp Glauser hatte im Expertengespräch mit dem Fachstellenleiter René Moser (Bildung und ICT) diverse Umsetzungsvorschläge vorgelegt, deren Umsetzungsideen erläutert und eine Priorisierung für die Umsetzung vorgenommen. In seiner Umsetzungsarbeit hat er sowohl Vorgaben des Lehrplans 21 Kanton Zürich, im Speziellen die Kompetenzen von Medien und Informatik wie auch von Natur und Technik berücksichtigt und als didaktische Methode das «Erfahrungsbasierte Lernen» ins Zentrum gestellt.

Konzeptionell hat er im Schritt 1 eine Vision entwickelt, wie der Unterricht für den ausgewählten Kompetenzbereich mit VR gestaltet werden kann. Diese wurde mit Fachpersonen verifiziert.
Im Schritt 2 passte er das Konzept hinsichtlich der technischen Machbarkeit an. Anhand des Konzepts entwickelte er den Prototypen.
Die Erhebung von Daten zu den Erkenntnissen aus der Anwendung des Prototyps in einer Schulklasse war der 3. Schritt.

Sein ausgewählter Unterrichtsinhalt ist im Kompetenzbereich NT.3.3 thematisch verankert und lautet: Plastik (Kunststoffe) und ihre Auswirkungen auf die Umwelt.

Dieser Kompetenzbereich NT.3.3.b-c lautet gemäss Lehrplan Volksschule Kanton Zürich: «Die Schülerinnen und Schüler können Stoffe als globale Ressource erkennen und nachhaltig damit umgehen.»

Die Schülerinnen und Schüler

  • können Stoffkreisläufe erklären und darstellen
  • können aufzeigen, welche lokalen und globalen Folgen die Nutzung von Rohstoffen auf die Umwelt hat und Möglichkeiten zum nachhaltigen Umgang mit globalen Ressourcen zusammenstellen und einschätzen
  • können Informationsquellen beurteilen und einschätzen, ob mit den Informationen bestimmte Interessen vertreten werden.

Den Schwerpunkt im Bereich VR legte Philipp Glauser auf das Thema Mikroplastik (Kunststoffe) in Seen und die Folgen für die Umwelt. Dank VR können die SuS die Dimension von Mikroplastik im Verhältnis zu Lebewesen im Wasser erkennen und die Unterwasserlandschaft selbstständig entdecken.

VR im Fachbereich Mathematik

Andreas Hebeisen hat sich in seiner Masterarbeit mit der übergeordneten Forschungsfrage «Wie können Lernende der Oberstufe mit besonderem Förderbedarf im Mathematikunterricht durch Virtual Reality gezielt gefördert werden?» auseinandergesetzt.

Daraus leitete er die untergeordneten Forschungsfragen ab:

  • Worin liegen die Vorteile einer immersiven Lernumgebung gegenüber klassischen Lehrmitteln?
  • Wie kann eine konkrete Lerneinheit, abgestützt auf den Lehrplan 21, mit Hilfe von Virtual Reality im Mathematikunterricht an der Oberstufe aussehen?
  • Welches sind die Kernpunkte, die es bei der Konzeption einer solchen Lerneinheit zu beachten gilt?

Das «mathbuch IF» und der «Begleitband für die integrative Förderung Klassen 7 – 9» (2017 des Klett und Balmer Verlags) diente als Grundlage und die inhaltliche Basis für einen Grossteil der Aspekte, die die integrative Förderung betreffen. Aus dem Buch (insbesondere Kapitel 4.1) wurden die Lerninhalte entnommen, welche er mittels Virtual Reality umgesetzt hat.

Andreas Hebeisen wählte die Kapitel «So klein! So gross!» und «Grundfläche mal Höhe» für seine Masterarbeit aus.

Er beschreibt in seiner Masterthesis die Begründung und Umsetzung folgendermassen: Mittels Virtual Reality soll ermöglicht werden, «dass die Lernenden Längen, Flächen- und Raummasseinheiten mit den entsprechenden Stützvorstellungen kennen» (Affolter und Walt 2017, S. 175). Die Lerneinheit soll «experimentell und handlungsorientiert aufgebaut sein, indem die Lernenden verschiedene Modelle von Prismen und Zylindern» (Affolter und Walt 2017, S. 175) in der virtuellen Realität kennenlernen und mit ihnen interagieren können.

Zu «So klein! So gross!» schreibt er weiter:

«Der Umgang mit Grössen und Massen ist für viele Lernende sehr anspruchsvoll. Mangelnde Grössenvorstellungen […] und ungenügende Kenntnisse der Vorsätze (Kilo, Dezi-, Zenti-, Milli‑) sowie der Beziehungen zwischen den Masseinheiten (z.B. 1 kg = 1 000 g) sind auch auf der Sekundarstufe nicht selten» (Affolter und Walt 2017). Genau an diesen Punkten soll die virtuelle Lerneinheit anknüpfen und den Lernenden Gelegenheiten bieten, «Grössen miteinander zu vergleichen: Was ist schwerer, kürzer, höher, hat weniger Inhalt, …?» » (Affolter und Walt 2017).

Um den Lerneffekt und die Immersion zu verstärken, wurde die Lerneinheit mit weitreichenden Möglichkeiten zur Interaktion mit den Objekten und Grössen realisiert (vgl. „levels of interactivity“, Freitas 2014, S. 31). So müssen im virtuellen Raum Grössen aus der Stellentafel passenden Gegenständen zugeordnet werden. Auf Knopfdruck nehmen diese ihre reale Grösse an. Plötzlich mitten im Fussballstadion zu stehen und die Länge von 100m realitätsgetreu zu erleben, hat viele der Lernenden während der Evaluation beeindruckt.

Informationen zur Veranstaltung

Ablauf der Veranstaltung

  • Thomas Keller und René Moser begrüssen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Anlasses. Thomas Keller führt uns in die Thematik der Masterarbeiten ein.
  • Anschliessend präsentieren die beiden Studenten in einem je 30-minütigen Referat Ausschnitte aus ihrer Masterarbeit und ziehen ein Fazit zu «Virtual Reality an der Volksschule».
  • Die darauffolgende Gesprächsrunde des Publikums mit den Studenten wird Thomas Keller moderieren.
  • Der offizielle Abschluss wird so gegen 19:45 Uhr sein. Danach besteht die Möglichkeit, die beiden VR-Umsetzungsarbeiten selber zu erleben.

Organisatorisches

Datum und Zeit:   Montag, 11. Juni 2018, von 18:15 Uhr bis 19:45 Uhr

Ort:                        ZHAW Winterthur, Campus St.-Georgen-Platz, Gebäude/Raum SM01.01

Kosten:                  Keine

Anmeldung:           Aus organisatorischen Gründen erwünscht: LINK zum Anmeldeformular

Fragen und Anregungen an: Thomas Keller, René Moser

Wir freuen uns, bildungsinteressierte Personen an diesem Anlass an der ZHAW begrüssen zu dürfen, um gemeinsam einen Einblick in eine praxisorientierte, lernunterstützende Technologie zu erhalten und intensive Gespräche zu führen.

Thomas Keller und René Moser

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3 Gedanken zu „Hat «Virtual Reality» Potential für die Volksschule?“

  1. Beim Lesen des Titels ist mir ein Gedanke zur Beantwortung der Frage etwas in die Quere gekommen. Mit dem marginalen Lebensweltbezug ist die Volksschule bereits heute in einer Art virtuellem Setting unterwegs. Wenn ich beispielsweise die Mathematik oder den Sprachunterricht anschaue, dann ist viel abstrahiert und mediatisiert. Mit dem Einbezug der Virtualisierung erschlägt man noch die letzten verbleibenden 5%.

    Mehr Potenzial hätte vermutlich der umgekehrte Prozess. Ich führe als Lehrperson die Schülerinnen und Schüler vom abgebildeten abstrahierten Unterrichtsgegenstand zum realen Objekt in der Welt. Die erste Fremdsprache, die man lernt könnte beispielsweise diejenige sein, die ein Gruppe Flüchtlingskinder in unserer Klasse spricht. Oder man lässt die Lernenden ein Schulfest inklusive Verpflegung vorbereiten: Einkaufen, Essen und Getränke schleppen, Speisen zubereiten, Festbänke aufstellen, etc.. Das gibt ein gutes Gefühl, was wieviel wiegt und wieviel kostet.

    Virtualisierung hat sicher dort eine Berechtigung, wenn man Gefahren vermeiden kann oder Erlebnisse ermöglicht, die sonst nicht reproduzierbar sind. Legendär sind die virtuellen Strategie- und Kampfspiele. Sollten virtuelle Welten in unserem Alltag zunehmend Bedeutung erlangen, dann ist es sicher nicht falsch, wenn sich die Volksschule damit befasst.

    Wenn es darum geht, dass das was offensichtlich greifbar vor unseren Augen liegt in einer virtuellen Welt abzubilden, dann sehe ich nur ein kleines Potenzial für virtuelle Welten an der Volksschule. Spannender wäre hier der Ansatz von Augmented Reality.

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    • Ich kann diesem Beitrag beipflichten – bis auf die erste Fremdsprache. Unsere Absicht ist, den Lehrpersonen ein weiteres Instrument zur Hand zu geben. Es soll komplementär eingesetzt werden, punktuell den Lernspass erhöhen und vielleicht auch etwas Abwechslung in den Schulalltag bringen. Die Wirkung auf den Lernerfolg können wir noch nicht beschreiben. Das ist unser nächstes Ziel.

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