Das Smartphone-Dilemma (Teil 2)

Der Einblick in die Smartphone-Welt der Jugendlichen, die wir durch das Projekt «Generation Smartphone» erhalten haben, zeigt uns verschiedene Dilemmata auf: Oft sind Chance und Risiko beim Smartphone eng miteinander verknüpft. Doch welche Dilemmata haben wir im Projekt identifiziert? Das wird in diesem Beitrag aufgezeigt.

In den gemeinsamen Workshops wurden erkannte Chancen und Risiken notiert und geordnet. So wurden verschiedene Dilemmata sichtbar.

Zeitvertreib vs. Zeitfresser

Für viele Jugendliche ist das Smartphone das Hilfsmittel gegen Langeweile und sorgt für Unterhaltung und Spass. Das Dilemma besteht darin, dass der als positiv empfundene Zeitvertreib auch in Zeitverschwendung und Nutzung aus Langeweile umschlagen kann – eine Nutzung, die die Jugendlichen selbst als «sinnlos» bezeichneten. In den Beschreibungen aus dem Smartphone-Alltag wurde oft ein starker «Sog» deutlich, der es für viele Jugendliche schwierig macht, die Nutzung von z.B. Games oder YouTube zu begrenzen und das Handy wegzulegen. Die positive Ablenkung von Alltagssorgen und Langeweile steht somit der negativen Ablenkung durch das Smartphone gegenüber, welche «nützlichere» oder «sinnvollere» Tätigkeiten verhindert.

Einfache Erreichbarkeit vs. Erreichbarkeitsdruck

Das Smartphone erfüllt für viele Jugendliche wichtige soziale Funktionen wie Kontakte knüpfen und erhalten, teilhaben am Leben anderer, Bestätigung und Anerkennung bekommen, sich einer Gruppe zugehörig fühlen. Fast durchgehend für wichtige Freunde und Bezugspersonen erreichbar zu sein ist gleichzeitig aber ein Dilemma: Das Smartphone ermöglicht den einfachen Austausch und Kommunikation, aber es bestehen auch oft Erwartungen, rasch eine Antwort zu bekommen. Viele Jugendliche nehmen daher einen negativen Erreichbarkeitsdruck oder Gruppendruck wahr.

Stress vs. Entspannung

Durch den oben erwähnten Erreichbarkeits- oder Gruppendruck entstehen bei einigen Jugendlichen negative Gefühle. Auch das Bedürfnis immer informiert zu sein und z.B. alle WhatsApp-Nachrichten – in gewissen WhatsApp-Gruppen sind es schnell deren 100 – immer zu lesen, spielt hierbei eine Rolle. Während das Smartphone somit zu Stress beiträgt, bietet es gleichzeitig auch Möglichkeiten zur Entspannung. Viele Jugendlichen hören Musik, schauen Videos oder scrollen durch ihre Social Media Feeds um nach der Schule «runterzukommen» oder sich von Alltagssorgen abzulenken.

Spass und Ernst

Für viele Jugendliche ist das Smartphone weder ausschliesslich zur Unterhaltung noch ausschliesslich für «ernste» Zwecke da. Die Grenzen zwischen Spass und Ernst verschwinden. So wird im einen Moment ein Fremdwort in der Übersetzungs-App nachgeschaut und im nächsten Moment über ein lustiges Foto, das man per Snapchat erhalten hat, gelacht. Viele Jugendliche berichteten uns, dass dieses Dilemma vor allem während dem Lernen und den Hausaufgaben auftritt und das Smartphone dort eine grosse Ablenkungsquelle ist.

Chats: Einander helfen vs. Gruppendynamiken

Einige Jugendliche erwähnten Gruppenchats als Möglichkeit, sich gegenseitig zu helfen, besonders bezüglich Schule und Hausaufgaben. Auch in sozialen Medien wird sich gegenseitig unterstützt, indem z.B. relevante Informationen oder Tipps untereinander geteilt werden. Gleichzeitig kann es gerade in Gruppenchats auch zu negativen Dynamiken kommen. Einzelne Jugendliche berichteten von Lästereien über Dritte im Gruppenchat oder erzählten von einem «bewussten» Ausschluss von Einzelnen aus einem Klassenchat, an dem eigentlich sonst die ganze Klasse teilnimmt.

Anhand dieser Dilemmata wird klar, dass viele Jugendliche ihrem Smartphone gegenüber ambivalente Gefühle haben. So beschreibt beispielsweise die 16-jährige Emma sich und ihr Smartphone als «die besten Freunde und die grössten Feinde. Eine ‚love-hate relationship’». Vor allem jüngere Jugendliche stehen dem Smartphone aber noch unkritischer und allgemein positiv gegenüber.

Dilemmata nicht nur für Jugendliche

Vielleicht haben Sie sich selbst in diesen Dilemmata wiedererkannt? Ich glaube, es sind nicht nur die Jugendlichen, die im Umgang mit dem Smartphone auf Herausforderungen treffen, sondern viele dieser Aspekte betreffen die Smartphone-Nutzung generell, unabhängig vom Alter. Diese Erkenntnisse könnten die Schulen ermutigen, die Nutzung der Smartphones fürs Lehren und Lernen zu thematisieren und unter zu definierenden Regeln im Unterricht zuzulassen.

Nebst den Dilemmata, der Kopplung von Chancen und Risiken, gibt es auch Chancen und Risiken ohne Gegenpol. In Teil 3 dieser Artikelserie werden Sie erfahren, welche vielfältigen Chancen und Risiken Jugendliche in ihrem Smartphone-Alltag wahrnehmen.

Der ausführliche Ergebnisbericht des Projekts ist unter www.generationsmartphone.ch verfügbar.

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